Rede vom 19.05.2021 „Belastungen von Kindern und Jugendlichen endlich ernstnehmen!“

- Reden im Landtag

Jens Kamieth (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um alles auf den Kopf zu stellen, was wir kurz zuvor noch in berechenbaren Bahnen unseres Alltags wähnten, hat es nur einer einzigen Variablen bedurft, und von der hatte zuvor niemand etwas gehört. Eine einzige Variable – und alles ist anders! Diese einzige Variable, mit der niemand gerechnet hatte und die gleichwohl alles zu ändern vermochte, ist das Coronavirus. Unsichtbar und gleichzeitig omnipräsent hat es durch seine Eigenschaft, unsere Gesundheit und das Leben als solches anzugreifen, jeden einzelnen Bereich unseres bisherigen Lebens eingeschränkt – jeden.

Meine Damen und Herren, das Leben ist ein absolutes Schutzgut. Denn Leben ist die Voraussetzung für alles. Oder, um es anders zu sagen: Ohne das Leben – ich füge hinzu: ohne die Gesundheit – ist alles andere nichts.

Wenn wir über die Frage der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zum Schutz dieser absoluten Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit sprechen, sollten wir uns stets vor Augen halten: Das Leben und die Gesundheit stehen vor der Klammer.

Meine Damen und Herren, Kinder werden in der frühen Phase ihres Lebens maßgeblich von zwei Sozialräumen geprägt. Der erste Sozialraum ist die Familie, der zweite Sozialraum ist die Kita oder später die Schule. Diese beiden für die Entwicklung und das Wohlergehen unserer Kinder zentralen Bezugs-, Stabilitäts- und Fördersysteme sind von Corona ins Mark getroffen worden und damit im Ergebnis unsere Kinder und unsere Jugendlichen selbst, die Eltern und ganze Familien, ja, wir als Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich haben unsere Kinder und Jugendlichen unter dieser Situation gelitten. Selbstverständlich haben auch die Bedürfnisse unserer Kinder nach Bewegung, nach Bildung, nach Sozialkontakten und auch nach kindlicher Unbeschwertheit gelitten, dort, wo das Leben der Kinder schon vor der Krise war, übrigens ungleich mehr als anderswo. Und Hand aufs Herz: Das tut jedem weh; das tut gerade mir als dreifacher Vater auch in der Seele weh.

Gerade deshalb ist mir dieser Aspekt wichtig. Der Bezugspunkt für die Antwort auf die Frage, ob die Anliegen unserer Kinder und Jugendlichen gehört und ihre angemessenen Bedürfnisse berücksichtigt wurden, ist nicht absolut, er ist relativ.

Was will ich damit sagen? Der Bezugspunkt der Antwort auf die Frage ist weder 100 % des Wünschbaren noch die Situation vor der Pandemie. Der Bezugspunkt ist die sich aus der Pandemie ergebende Krisenlage für die ganze Gesellschaft.

Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen stehen in Wechselwirkung zu den Bedürfnissen anderer. Ihr Wohl steht greifbar in direktem Zusammenhang mit dem Wohl ihrer Eltern und auch mit dem Wohl der Großeltern.

Haben unsere Kinder und Jugendlichen unter den Kontaktbeschränkungen gelitten? – Ja! Sind ihnen Bildungschancen entgangen? – Ja! Aber waren diese Entbehrungen verhältnismäßig? Haben sie der gesamtgesellschaftlichen Ausnahmesituation angemessen Rechnung getragen? Waren sie mit Blick auf das Ganze und alle erforderlich und damit trotz aller Härten im Lichte der Lage notwendig? Ich komme zu dem Ergebnis: Ja! Und damit geht ausdrücklich keine Relativierung einher, welcher Preis damit verbunden ist.

Meine Damen und Herren, ich verzichte an dieser Stelle auf die obligatorischen Aufzählungen, was alles getan wurde, um Kinder, Jugendliche und Familien in der Krise zu unterstützen, nehme da ausdrücklich Bezug auf den heutigen TOP 3, wo es aus berufenem Munde unseres Ministerpräsidenten sehr anschaulich vorgestellt wurde.

Den Grünen gestehe ich zum Schluss gerne zu, dass sich die Qualität ihrer Anträge wohltuend und positiv von den Anträgen anderer Fraktionen hier im Hause abhebt.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Also auch Ihren!)

Wenngleich mich der endlich ernstzunehmende Duktus der Überschrift mit seiner latenten Unterstellung der Behäbigkeit ärgert, weiß ich, dass Ihnen das Thema am Herzen liegt. Ich darf Ihnen aber versichern, liebe Kollegin Paul: Studien werden bereits zu Genüge geschrieben. Sie haben zwei Studien zitiert, Bodo Löttgen hat heute Morgen welche zitiert, in meinem Antrag sind welche. Wir haben noch nicht über Bertelsmann gesprochen. Studien haben wir, Gespräche finden statt.

Wir arbeiten daran, flankierend mit Mitteln vom Bund die nächsten Schritte zu tun für unsere Kinder, für unsere Jugendlichen und für unsere Familien in Nordrhein- Westfalen.

Wir werden natürlich der Überweisung zustimmen. Danach würde ich dem Antrag aber nicht allzu viel Lebensdauer zusprechen wollen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und Marc Lürbke [FDP] – Josefine Paul [GRÜNE]: Das finde ich jetzt aber ein bisschen schade! Wir haben doch noch gar nicht darüber diskutiert!)

Rede vom 19.05.2021 „Belastungen von Kindern und Jugendlichen endlich ernst nehmen!“
(Plenarprotokoll 17/128)