Wie kann der Pflegebedarf gedeckt werden? Dieser Frage widmete sich in einem Fachgespräch der Gesundheitspolitische Arbeitskreis der CDU in Siegen-Wittgenstein (GPA). „Eine menschenwürdige Pflege zu sichern ist ein zentrales gesellschaftliches Thema mit einer hohen Bedeutung für jeden Einzelnen“, ordnete GPA-Vorsitzender Bernd Ginsberg die Wichtigkeit dieser Fragestellung ein.
Überall fehle Personal und die Kassen seien leer, lautete die Diagnose derer, in deren beruflicher Verantwortung Pflegeplätze stehen. „Was nützen neue Einrichtungen, wenn die notwendigen Pflegekräfte fehlen?“, hieß es konkret in der Diskussionsrunde. Und „fehlende Köpfe“ dürften in der Tat gegenwärtig die Hauptursache der krisenhaften Entwicklung sein. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse für die Tätigen wie den Nachwuchs absolut im Mittelpunkt stehen. Und dabei sei besonders die Verlässlichkeit von Dienstplänen ein entscheidender Punkt.
Zwar gebe es durchaus eine wachsende Anzahl von Auszubildenden, allerdings sei im Bereich der Altenpflege weniger Zuwachs erkennbar.
„Wir werden weiterhin engagiert Fachpersonal ausbilden“, betonten einmütig die Verantwortlichen der regionalen Pflegeeinrichtungen. Kritik wurde an überörtlichen Trägern laut, die hier vor Ort kaum oder gar nicht ausbildeten, sich aber gerne bei anderen „bedienten“. Sorge bereite insgesamt, dass nach einer Landesauswertung etwa 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung nicht abschließen.
Jens Kamieth CDU-MdL plädierte für eine kompetenzorientierte Aufgabenverteilung. Die Position von „Helferinnen bzw. Helfern“ müsse dann zum Förderumfang gehören.
„Früher haben viele ihren Weg und ihre Berufung für eine Pflegetätigkeit durch den Zivildienst gefunden“, erinnerte Bernd Ginsberg. Er sehe es durchaus als notwendig an, über ein zeitlich befristetes verpflichtendes soziales Engagement junger Leute nachzudenken.
Dass für bessere Pflege ein ganzes Maßnahmenbündel notwendig sei, lautete das Ergebnis des Gesprächs. Derzeit würde z. B. die energetische Sanierung von Pflegeeinrichtungen in den Pflegesätzen nicht abgebildet, diese seien aber notwendig. Ausländische Pflegekräfte müssten schneller anerkannt werden. Bauliche Erweiterungen dürften nicht von jahrelangen Planungsprozessen abhängen. „Es muss schneller gehen.“
Zu Beginn hatte Ute Heyde von der Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein die regionale Datenlage zur Pflege erläutert. Derzeit sind es über 61.000 Menschen im Kreis, die zwischen 65 Jahre und über 80 Jahre alt sind. Bis 2040, so die Prognose, wird diese Zahl auf gut 72.000 steigen. Dabei würde bis 2040 zugleich insgesamt die Einwohnerzahl um rund 13.500 sinken. Als Fazit, so hält es der jüngste Pflegebedarfsplan fest, werde schon bis 2026 ein weiterer Bedarf von 574 stationären Pflegeplätzen in Siegen-Wittgenstein bestehen.
Aktuell (Daten 31.12.2021) werden 19.455 Pflegebedürftige in Siegen-Wittgenstein gezählt. Von denen werden 15.048 zu Hause versorgt, womit in der Region die Quote deutlich über dem NRW-Landesdurchschnitt liegt. Vollstationär in einer Pflegeeinrichtung werden 2.052 Personen versorgt.
Eine Erkenntnis in der Erörterung: Es müssten nicht nur große neue Häuser sein. Am Beispiel der Senioren-WG „Alte Post“ in Burbach werde deutlich, welch gute Lösung auch solche kleineren Wohngemeinschaften in Bestandsimmobilien sein könnten. Denn, so die Experten, für Neubauten seien Flächen von mindesten 4.000 Quadratmetern notwendig. „Wo finden wir die noch an geeigneten Stellen?“
Auch eine Empfehlung angesichts einer gewissen Skepsis gegenüber neuen „Kreis-Altersheimen“: Die örtlichen Träger sollten zu einem Runden Tisch zusammengerufen werden, um gemeinsam Lösungen für die Region zu besprechen und anzugehen. Anbau-Planungen, die fünf Jahre dauerten, seien ein ‚Wahnsinn‘. „Wir sollten mit vereinten Kräften etwas tun!“
Zu handeln ist in vielen Facetten und Ebenen. Bundestagsabgeordneter Volkmar Klein: „Wir müssen anerkennen, dass die gesundheitliche und pflegerische Versorgung in der Alltagswelt von Pflegebedürftigen zusammengehören. Daher finde ich es richtig, wenn die Pflege auch einen stimmberechtigten Sitz im Gemeinsamen Bundesausschuss bekommt.“
Zu reden sei ebenso über geeignete Abschreibungsregelungen für die notwendigen Investitionen. Volkmar Klein und Jens Kamieth verwiesen zudem auf den Beschluss des letzten CDU-Landesparteitages, die Attraktivität der Pflegeberufe auch dadurch zu steigern, dass analog zur früheren Bergmannsregelung die Regelaltersgrenze und die Höhe der Entgeltpunkte in der Rentenversicherung privilegiert werden sollte, wenn „Pflege“ den Hauptteil der beruflichen Tätigkeit gebildet hat.
„Wir werden an dem Thema dranbleiben. Unser Ziel ist, politische und fachliche Anstöße zu geben, um Fortschritte für uns in Siegen-Wittgenstein zu unterstützen, “ versprach GPA-Vorsitzender Bernd Ginsberg.